Soljanka

Die Angst vor Piraten

So sehr sich der Phoenix-Mann auch müht, den Piraten im Interview Wahlkampf-Verbindlichkeiten zu entlocken, so sehr ist ihm in diesem Moment vielleicht selbst bewusst, dass er sich das eigene altjournalistische Abfragen von Schubladeninhalten durchaus schenken kann.

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Als etwa Neu-Parteichef Schlömer an das Mikro tritt, redet der nicht über die Abschaffung der Arbeitslosigkeit bis 2018, faselt nicht über die Senkung von Steuersätzen und bringt auch keine Agenda 2022 ins Gespräch. Dem Journalisten scheint das irgendwie suspekt – was soll er eigentlich hier? Keiner dieser Piraten lässt sich auf ein politisches Lügenversprechen festnageln und einordnen kann man diese Truppe auch nicht.

Links, Rechts, Mitte und später Ökogrün – das waren jene politischen Himmelsrichtungen, die in der alten Bundesrepublik scheinbar auf ewig galten, im Osten des Landes zählte jahrzehntelang nur die Einheitsbreipartei. In den letzten zwei Jahrzehnten mischten sich alle politischen Mächte gut durch, um an die Wählerstimmen des jeweils politischen Gegners zu gelangen. Mit dem Machteintritt und anschließender Entfärbung der Grünen (die zuvor ihrerseits bereits die ostdeutschen Bürgerbewegten in ihrer gnadenlosen Naivität geschluckt hatten) gab es im neuen Deutschland defacto keine Partei mehr, die das eingefahrene System innovativ störte und provozierte.


 

Politik ist heute Machtgeilheit, Lobbyismus und eine Ode an die Diktatur der Bürokratie. Jungpolitiker können ihre Ersatzeltern „Volkspartei“ früh auswählen und kommen quasi direkt aus dem Hörsaal in die politischen Schaltzentralen. Jugendorganisation, Kommunalpolitik, Bundesminister. Sie suggerieren sich und anderen, etwas bewegen zu wollen – doch geht es letztlich um den eigenen Hintern. Das in Blabla-Polittalkrunden nun die Piraten ausgerechnet von diesen Machtrobotern zu ihren Zielen gefragt werden, ist aberwitzig. Unbewusst bedeutet das in etwa: „Warum lügst du nicht auch so dreist wie ich?“

Die Piraten haben ein Programm und man sollte es lesen. Ihr etwas unbeholfen anmutendes, unperfektionistisches Auftreten plus fehlende Krawatte sind kein Hinweis darauf, dass sie das bestehende System nicht empfindlich stören könnten. Derzeit knapp zehn Prozent lassen den Schluss zu, dass sich in einem etablierten Machtsystem aus Vernetzung und Verquickung Ängste entwickeln. Das Establishment wird – soviel sollte auch klar sein – zurückschlagen. Macht und Medien sind mit ihnen und die Piraten dürften sich Richtung nächste Bundestagswahl irgendwo bei +/- fünf Prozent wiederfinden.

Wie heißt es in Carl-Maria von Webers „Freischütz“ so schön? „Er meinte, man müsse die Furcht nur verspotten, dann fliehe sie, und das wahre Sprüchlein, sich festzumachen, bestehe in den Worten: Halunke, wehre dich!“
Die Piraten im Internet

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