Soljanka

Karl-Theodor in der Neidfalle

Da hat uns der Karl-Theodor zu Guttenberg doch ganz schön „einen eingeschenkt“. Der ist womöglicherweise gar kein richtiger „Herr Doktor“, weil er doch abgeschrieben hat! Wir als Volksgemeinschaft fühlen uns verarscht, verraten und verkauft. Nun aber raus mit dem Frust, auf die Barrikaden und nieder mit ihm! Wirklich? Derzeit muss ich nach Guttenberg-Enthüllungen nicht wirklich suchen, sie springen mir quasi beim öffnen meines Webbrowsers ins Gesicht.

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Ich staune dabei immer wieder, dass es so viele ehrliche und moralisch hochwertige Gutmenschen gibt, die doch um so vieles besser sind, als Guttenberg – den ich hier im weiteren Verlauf einfach „Gutte“ nennen möchte. Soll ich mich nun freuen, dass diese Menschen diese Welt um einiges besser machen – oder sie vielleicht bedauern? Ich entscheide mich für Letzteres und suche nach Ursachen.

Wilhelm Busch nannte einmal Neid die „aufrichtigste Form der Anerkennung“. Es geht also auch in Sachen „Gutte“ um Neid, der zunächst etwas Oberflächliches ist. Erfolg schlechthin, Haus, Auto oder Gehalt, Medienpräsenz oder einfach Schönheit – alles dies sind Neidkriterien. Tiefer geblickt geht es um innere Werte und persönliche Unzufriedenheiten. Neider meinen, dass Menschen, die ein höheres Gehalt oder ein größeres Auto besitzen, glücklicher sind als sie selbst. Die Kehrseite dieser „Trophäen“, also wenig bis keine Zeit für Partner und Familie, mehr Verantwortung, gesundheitliche Probleme oder paranoide Gedanken über den möglichen Verlust des „Geschaffenen“ – sie wird schlichtweg ausgeblendet.


 

Neid wird praktisch in die Wiege gelegt. In der Kindheit des späteren Neiders finden sich kleine und große Ungerechtigkeiten, etwa Benachteiligung unter Geschwistern. Über Jahre erfahren wird der spätere Neider dieses Denken verinnerlichen, Gedanken und Handlungen darüber automatisieren. In einer medialen Gesellschaft findet er immer neue Ungerechtigkeiten, die ihn persönlich berühren. Diese dann mit Gelassenheit zu ertragen und sich dabei nicht persönlich verletzt zu fühlen – sehr schwer bis fast unmöglich.

„Gutte“ selbst hatte die Neider von Beginn an auf seiner Seite: Er ist jung, erfolgreich, gutaussehend, übernimmt Verantwortung, die ihm wohl keiner seiner Neider abnehmen würde und er versucht – auf seinem Level – weiter Karriere zu machen. Liebevoll will ich das einmal als vielzitierten Drang beschreiben, „mit dem Arsch an die Wand zu kommen“.

Wer will das eigentlich nicht? Hält „Gutte“ uns nicht lediglich den Spiegel vor? Alle Gutmenschen, die jetzt den Finger heben und meinen, die wirklich „Guten“ zu sein – jedenfalls besser als jene, die „betrügen“, „lügen“ oder „abschreiben“ – brauchen tatsächlich Hilfe. „Gutte“ steht symbolhaft für ein gesellschaftlich anerkanntes Streben nach Geld, Macht und Einfluss, wo der Zweck die Mittel heiligt. Der Mann hat niemanden umgebracht, keine Teenager missbraucht – er hat für seinen Doktortitel passagenweise abgeschrieben und damit das getan, was viele vor ihm taten und nach ihm tun werden.

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