Musik

Wie ich zum Jazz kam

Es war 1987, als ich mir in Dresden meine erste, eigene und „richtige“ Akustikgitarre zulegte. Was für ein Gefühl! Davor war üben auf DIY-Griffbrett-Emulationen und geliehenen Fremdinstrumenten angesagt. Und nun? An YouTube und Co. war noch nicht ansatzweise zu denken und Gitarren-Literatur Mangelware.

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So gingen in den Achtzigern offene Akkorde und im besten Fall echte Noten durch viele Hände, nur um irgendwann am Lagerfeuer im „Heart of Gold“ zu enden. Lagerfeuerklampfen? Fürchterlich! Dazu will ich bemerken, dass Neil Young seit Jugendzeiten in meinen Fav`s gespeichert ist – der große Künstler kann nichts für meine Aversionen.

Der Autor 1987

Zu Wehrdienstzeiten hatte ich dann das gute Stück mit einem „City“-Aufkleber verschönert – offenbar eine unbewusste Hommage an die damals aktuelle Platte „Casablanca“ – und zupfte und schrubbte mit einigen anderen Gleichgesinnten regelmäßig herum, tatsächlich schon mit einem geringfügig vergrößertem Akkorde- und Notenportfolio.

Hat mir das wirklich Freude gemacht? Kann sein, doch meine Gitarre hing dann jahrelang (bis auf spontane Ausnahmen) am sprichwörtlichen Nagel. Ein langer Dornröschenschlaf stellte sich ein und wesentlich neue Gitarrenphasen kamen in den nächsten Jahren nicht dazu. Schließlich verschenkte ich meine Gitarre an einen Freund.

Dave Brubeck – Take Five

 

Inzwischen war ich zum (fast) reinen Konsumenten „verkommen“: Pop, Rock, Klassik – das ganze Programm. Vor allem klassische Konzerte, CD-und Notensammlungen sowie reichlich Bücher darüber erweiterten meinen Horizont ungemein. Das ging so weit, dass ich für Kammeroper-Aufführungen Bühnenbilder entwickeln durfte und vermehrtes Interesse an den Gesangspartien fand. Um nicht ausschließlich in der Dusche krächzen zu müssen, nahm ich sogar mal eine zeitlang (klassischen) Gesangsunterricht ohne Ambitionen und sah am Ende der Zeit nochmal ganz praktisch, welch megaharten Job Sänger und Sängerinnen zu leisten hatten.

In dieser Zeit entdeckte ich vor allem Manfred Krug (wieder) und suchte mir andere Variationen seiner „Jazz-Standards“ des Albums „Greens“. Irgendwie glich das einer Reise in die Wüste zum Sandkörner suchen. Ab sofort befüllte ich meine Regale mit Werken von Miles Davies, Dave Brubeck, Wes Montgomery, John Coltrane, Chat Baker und natürlich Frank Sinatra. Neue Sternchen, wie Norah Jones, Diana Krall oder Till Brönner kamen hinzu und bereicherten meinen Fundus weiter. Selber spielen wäre natürlich auch ein Ding … aber wie anfangen?

Manfred Krug und Beate Barwandt „Mach’s gut ich muß gehen“

 

Und dann kam …. Corona! Und damit gaaaanz vieeel Zeit. Nachdem mein Zeitkonto dank Merkel und Konsorten ordentlich aufgefüllt war, ging’s an die Instrumentenwahl: Eine halbakkustische Jazzgitarre sollte es sein, vielleicht konnte ich ja meine alten „Künste“ noch irgendwie anwenden und zu Gehör bringen. Nach der Auffrischungsphase jedenfalls begann ich viel Theorie nebst Online-Jazzkurs. Wow! Keine offenen Akkorde, sondern Vierklänge, Shell-Voicings und so weiter. Und heute? Bin ich immer noch dran … und möglicherweise noch sehr lange.

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