Soljanka

Wie man Paranoia erkennt

Vor einigen Tagen las ich im einstigen Nachrichten-Magazin „SPIEGEL-Online“ einen Beitrag unter der Überschrift „Benutzt du diese Nazi-Sätze – ohne es zu wissen?“. Verpackt wurde der Beitrag auf der Plattform von „bento“, einem „Angebot der SPIEGEL ONLINE GmbH“. Nun ist es ja nicht so, dass ich keinen Humor hätte: Ganz im Gegenteil. Irgendwie aber wich mein Lächeln beim durchlesen der Zeilen immer mehr einem gleichmäßigen Kopfschütteln. Sollte ich inzwischen nicht verstorben sein, so schüttle ich meine Birne noch heute.

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Zielgruppensuchend verpackt gab es also bei „bento“ ein Quiz, wobei man testen konnte, was man ab sofort sagen oder besser nicht mehr sagen darf. Etwa „Das ist abartig“ – richtig oder falsch? Die Auflösung kommt prompt – sollte man nach SPIEGEL-Sprech „falsch“ gelegen haben: „Das Wort gehört in die Kategorie Entmenschlichung“. Im Quiz geht es bei „bento“ lustig weiter und am Ende wusste ich endlich, was ich künftig nicht mehr zu denken, geschweige denn zu sagen habe.

Quelle: bento

Alles nur ein bedauerlicher Einzelfall? Ach was, schon das altehrwürdige Apothekenblatt „Baby und Familie“ (Wort & Bild Verlag), die man mir und meinen Kindern in der Apotheke erst gestern wieder am liebsten hinterher getragen hätte, befasste sich 2016 mit einer ganz ähnlich „gearteten“ (ist das bedenklich?) Problematik, anstatt mir die gewohnten Auswege aus meinem gesundheitlichen Verfall zu erläutern. „Kinder rechter Eltern sind nicht anders als Kinder anderer Eltern. Sie fallen manchmal erst nach längerer Zeit auf, zum Beispiel weil sie sehr still oder sehr gehorsam sind. Sagt die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Heike Radvan, Leiterin der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin.“

Quelle: Baby und Familie

Uff, der hatte damals gesessen. Heutzutage mustere ich immer wieder meine Kinder, ob sie möglicherweise etwas Gehorsames an sich haben. Das Pillenblatt klärt auf den folgenden Seiten weiter auf, etwa „… fallen deren Töchter zum Beispiel durch akkurat geflochtene Zöpfe und lange Röcke auf. Auch die Söhne sehen oft sehr traditionell aus und tragen keine amerikanischen Schriftzüge auf ihrer Kleidung.“

Ob ich noch einen habe? Aber sicher doch: „Starker Ordnungssinn macht anfällig für Rassismus und Homophobie“ schrieb kürzlich das Springer-Team von „Die Welt und „N24“. Und fragt besorgt: „Sie haben eine Person in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis, deren Ordnungsliebe das normale Maß übersteigt? Die Unordnung fast körperlich schmerzt und bei der jeder Gegenstand in der Wohnung seinen festen Platz haben muss, damit sie sich wohlfühlen kann? Dann sollten Sie sich mit ihr vielleicht lieber nicht über (gesellschafts-)politische Themen unterhalten.“

Nun frage ich mich doch seit geraumer Zeit, ob derartige Ergüsse nicht vielleicht aus diversen Beschäftigungsprogrammen für wissenschaftliche Mitarbeiter und Kurzzeit-Journalisten resultieren. Möglich ist allerdings auch, dass ich als Bürger gefährliche Paranoia erkennen soll, um mich besser schützen zu können. Das wird es sein! Unsere gute alte Wikipedia reicht da für eine kurze Vorabinfo.

Quellen: „bento“, Wikipedia, Die Welt / N24, „Baby und Familie“

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