Vor mittlerweile fünfundfünfzig Jahren wurde die „Mauer“ errichtet, um schließlich achtundzwanzig Jahre und zahlreiche Tote später wieder zu verschwinden. In der zeitgeistigen Politik ist das Gedenken daran ein jährliches Ritual mit erhobenem Demokratie-Zeigefinger; die Öffentlich-Rechtlichen senden Dokus über abenteuerliche Fluchten, enge Tunnel und sonstige Tragödien rund um den damals zementierten Status zweier Aufmarschgebiete im kalten Krieg.
1989 fiel der scheinbar uneinnehmbare „antifaschistische Schutzwall“ in sich zusammen. Nicht durch andauernde Demonstrationen westdeutscher Brüder und Schwestern, nicht durch den „Ruf nach Einheit“ Bonner Politiker, sondern in der Folge eines sich auflösenden, weil wirtschaftlich dahinsiechenden Ostblocks mit der einstigen Besatzungsmacht Sowjetunion an der Spitze.
In den von „Zeitzeugen“ durchsetzten Dauerschleifen-TV-Dokus wird seit dem Beitritt der maroden DDR zur miefigen BRD quasi eine „Rettung“ aller Ostdeutschen durch den Westen suggeriert, ohne dabei zu hinterfragen, ob es nicht noch andere Möglichkeiten eines Neuanfangs gegeben hätte. Und ganz bestimmt sorgten die mutigen Demonstranten im Osten letztendlich für den Fall den Mauer.
Natürlich dürfte ziemlich klar sein, dass sich in jenen achtundzwanzig Jahren nicht nur der DDR-Bürger mit der Situation arrangiert hatte. Auch für den Wohlstandswessi hatte der schnittige Betonbau einen gewissen Schutz vor den „sozialistischen Errungenschaften“ des Moralossis und er durfte sicher darin gehen, dass es da „drüben“ viele Leute gab, denen es – zumindest materiell – irgendwie noch viel mieser ging als ihm selbst.
Der Autor des Beitrags war einundzwanzig, als die Mauer kippte. Eben noch Jugendlicher im abgesicherten Honecker-Paradies und plötzlich als Erwachsener auf der kapitalistischen Überlebensbühne. Obwohl DDR-Heimatverlust bis heute keine anerkannte Krankheit ist, scheint eine Langzeitstudie zum Thema durchaus fällig – gerne auch als Doku aufbereitet bei ZDF Info. Übertriebene Hektik hierzu in den Redaktionsstuben darf allerdings bezweifelt werden.
So bleibt es, wie in jedem Jahr: Gedenken, Bekundungen, Kränze. Die an jenem Tag im August oft genutzte Überschrift „Wider das Vergessen“ hat dennoch eine gewisse Aktualität. Nichts ist eben für die Ewigkeit.
Quellen: Privat