Soljanka

Presse vs. Bürger?

Wie habe ich alles gelesen und gesehen, was irgendwie investigativ schien und mir Erkenntnis brachte: „SPIEGEL“ und „FAZ“, „Süddeutsche“ und „ZEIT“, das „Auslandsjournal“ und „Monitor“. Das war vor mehr als zwanzig Jahren. Als genetisch-gelernter Ossi spürte ich ein großes, mediales Nachholbedürfnis und versuchte, mir so ein umfassendes Bild von den jeweiligen Ereignissen zu generieren.

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Die Medien hatten zuvor im alten Westen bereits ihre politischen Claims abgesteckt, claimüberschreitende Berichterstattung war offensichtlich nicht vorgesehen. Differenzierung ja, aber immer bitteschön innerhalb der eigenen Leitlinien. Der Mauerfall war dann auch für die Westmedien ein Segen: Plötzlich konnte über den bislang weitgehend unbekannten Teil Deutschlands berichtet und geschrieben werden, wurden Geheimdokumente gesichtet, politische Vergehen aufgedeckt und Stasi-IM enttarnt.

Gabriele Krone-Schmalz: „Entlarvende Automatismen“

 

Ich finde noch heute einen Teil dieser Enthüllungen wichtig, denn vom Innenleben des eigenen Landes war schlichtweg nur wenig bekannt. Suspekt waren mir dagegen immer Berichte über ein Leben, wie ich es – laut Westmedien – im Osten eigentlich hätte gelebt haben müssen. Täglicher Fahnenappell in heimischer Küche und mit rotem Halstuch ins Bett. Schon bei diesen „aufwendig recherchierten“ Beiträgen zeigten die alten Westmedien jene Schwächen, die sie immer auszeichneten und heute wieder aufzubrechen scheinen. Schade.

Mit dem Internet wuchs für die etablierten Medien eine große Gefahr heran, was vermutlich auch deren Ende bedeuten wird. Quasi jeder von uns darf Journalist und jeder kann sich – in Anlehnung eines verstaubt wirkenden Werbespruches – seine Meinung selbst bilden. Das Netz ist voll von Zeugen, die vor Ort sind, von Handyvideos, die Ereignisse fast in Echtzeit zeigen. Eben schneller als jedes konventionell geführte Medium. Spätestens im Ukraine-Konflikt wird deutlich, dass es kaum noch möglich scheint, dem Mediennutzer zu erzählen, wer „gut“ und wer „böse“ ist. Die alte schwarz-weiß-Denke passt nicht mehr und belehrend geschriebene Artikel erreichen letztendlich das Gegenteil: Der User wendet sich alternativen Medien zu, vergleicht, recherchiert und veröffentlicht wiederum seine eigene Quintessenz.

Fairerweise muss man sagen, es gibt sie noch, die Zielgruppen klassischer Medien: Jene, die einfach nicht anders können oder die eigene Struktur nicht verlieren wollen. Das abschalten der täglichen ARD „Tagesschau“ etwa würde bereits die Abendgestaltung empfindlich beeinträchtigen, keine dicke Papierzeitung mehr zu fühlen und zu riechen käme einer intellektuellen Abwertung gleich. Nachrichten zu lesen ohne selbst differenzieren zu müssen. Was diese Nutzer wissen, aber vielleicht nicht wissen wollen: Es gäbe Alternativen.

Unter der Überschrift „Facebook-Spam: Russland-Freunde aus der rechten Ecke“ beschrieb der von mir einst geschätzte „SPIEGEL“ in seiner Onlineausgabe wie “ … ein paar Dutzend, vielleicht auch ein paar hundert Facebook-Nutzer seit Dienstag dabei seien, die Kommentarspalten vieler deutscher Medien mit Spam zu füllen.“ Klingt nach echter Verzweiflung. Das Forum in „SPIEGEL ONLINE“ war ausgeschaltet, doch sah sich das Magazin auf seiner Facebook-Seite mit mehr als 2000 Kommentaren konfrontiert, die sich – teilweise mit großer Empörung – gegen eine Leser-Diffamierung wehrten. Wie schon im letzten Bundestagswahlkampf, als mit dem rechten AfD-Gespenst eine gewisse Unwählbarkeit der neuen Partei erzeugt werden sollte, so scheint auch momentan jeder Bürger, der kritsch beobachtet und auch nur ansatzweise differenziert, zum rechten, prorussischen Putinmob zu gehören.

Ähnliches hatten wir schon einmal in der jüngeren Geschichte – zumindest im Osten. Die damaligen Medien als Sprachrohre der Mächtigen bezeichneten noch lange in die Wendezeit hinein Ausreisewillige als „Kriminelle“ und Montagsdemos waren Zusammenkünfte von „Störern“ und „Spinnern“. Als das nicht mehr half, wurde eine Entführungsgeschichte entwickelt.

Das Ende ist bekannt.

Quellen: Facebook, YouTube, Privat.

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