Da ist der „Doppel-Jahrestag“ von 2001 (200. Geburtstag und 150. Todestag) des Komponisten schon wieder zehn Jahre her und um nicht einen „Jahrestag des Jahrestages“ zu kreieren, ändern wir einfach die Zahlen im ausgehenden Jahr 2011 auf 210 / 160. Auch das sind irgendwie runde Zahlen. In Leipzig, wo Albert Lortzing die vielleicht beste Schaffensphase seines Lebens hatte, war dem Manne nicht nur zu Lebzeiten übel mitgespielt worden.
Auch 2001 wurde sein Andenken im Schatten von Bachfest, Repertoireoper und gewandhäuslicher Selbstherrlichkeit nicht wirklich pfleglich behandelt. Ich hatte damals fast den Eindruck, die „Stadtobrigkeit“ der Sachsenmetropole hatte noch immer die eine oder andere Rechnung mit dem Komponisten offen. Eventuell war es einfach nur Ignoranz.
Glücklicherweise gab es mit der Kammeroper Leipzig ein Häuflein Idealisten, die u.a. Lortzings letzte Oper „Die Opernprobe“ in der „Alten Börse“ aufführten. Noch heute gibt es hörbare Erinnerungen daran.
„Zar und Zimmermann“, „Der Wildschütz“ oder „Der Waffenschmied“ sind deutsche Opern für die Ewigkeit: Bissig-ironische, zeitlose Texte und traumhafte Musik für ein – aus heutiger Sicht – ideales Sitzverhalten. Und in dieser Bissigkeit lag genau ein Problem Lortzings: Er konnte die Klappe nicht halten. Dies in einer Zeit des Metternich’schen Systems, wo das Aufreißen jeder Klappe nicht folgenlos blieb. Wie müssen sich beflissene, krummläufige und schmierige Beamte im Leipziger Rathaus über „Zar und Zimmermann“ geärgert haben. In Sardam spielte die Geschichte auf der Bühne, doch Leipzig war gemeint.
Mit einem Wort, ich bin ganz netto.
Künstlerisch war auch der Spagat zwischen Publikumsnähe und Hochkultur, die dem gebürtigen Berliner Lortzing zu schaffen machte. Der Proll schaut ehrfürchtig und voller Schwellenängste nach oben und von eben dort wird abfällig auf die „Pöbelkultur“ heruntergesehen. Wie aktuell! Lortzing sah die Welt gerne aus Sicht des „kleinen Mannes“. Richard Wagner, der sich in Lortzings „Hans Sachs“ für seine „Meistersinger von Nürnberg“ ungeniert bedient haben soll, ließ aus Göttersicht nach unten blicken. Aber das mögen die Leute, nicht in Ironie verpackte Realitäten.
Am 21. Januar 1851 hat Albert Lortzing wahrlich ins Gras gebissen. Arm, krank, ausgebeutet und im Kultur- und Kunstbetrieb jener Zeit verschlissen. Am Vorabend hatte seine letzte Oper „Die Opernprobe“ ihre Uraufführung in Frankfurt/M. Eine letzte Geschäftspost hatte Lortzing Von Breitkopf&Härtel bekommen, eine Antwort auf seine sechs vokalen Männer-Quartette in Form jenes Grotesk-Gesangs, mit dem achtzig Jahre später die „Comedian Harmonists“ Erfolg haben werden. Die Antwort: „Abgelehnt“.
Um das Jahr 1900 erlebte ein regelrechter „Lortzingkult“ seinen Höhepunkt. Arm gestorben und reich in Erinnerung. So war, so ist das eben.
Quellen:
Jürgen Lodemann, „Lortzing-Gaukler und Musiker“.
Albert Lortzing in der Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Lortzing