Zugegeben: Vor dem Turnier in heimischen Landen war ich skeptisch. Sehr skeptisch. Schließlich ist Frauen-Fußball irgendwie so ein Ding wie Frauen-Eishockey, Frauen-Boxen oder Frauen-Ringen – die Liste ließe sich verlängern wie ein langer Bart. All diese Sportarten haben mit Kraft zu tun, mit männlicher Kraft. Mit Schweißgeruch, Hämatomen und ausgeschlagenen Zähnen. Und eine Frau ist kein Mann und Punkt. In meiner persönlichen Nachbetrachtung dieser Weltmeisterschaft verschwand allerdings meine Skepsis – vor allem mit jedem Spiel der Japanerinnen.
Alle photogeshoppten Aufnahmen unserer Kickerinnen im Vorfeld der WM täuschten nicht darüber hinweg, dass der Deutschen Tugend Kampf war. Hoch und rein in den Strafraum die Pille, irgendwie wird schon irgendwer die Kugel an den Schädel und schlußendlich ins Tor knallen. In mir kamen Erinnerungen an den Herren-Fußball der 70er und 80er Jahre hoch: Briegel, Hrubesch, D.Hoeneß und wenn nichts mehr geht, hechtet sich Rummenigge quer in den Ball und drückt ihn über die Linie.
„Ein Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnen immer die Deutschen“ … hieß es mal.
Negativer Höhepunkt war das Klopperspiel gegen Nigeria, wobei ich danach überlegte, ob ich mir den Zirkus weiter antun sollte. Als unsere Kickis im Viertelfinale gegen Nippon ausschieden, war mir klar: Das Spiel hat gesiegt und der japanische Systemfußball triumphiert über fußballerische Vergangenheit. Bleiben werden für mich von unserer Mannschaft ein paar gutverdienende Werbegesichter – doch eine neue Versicherung werde ich mir deshalb ganz bestimmt nicht zulegen.
Angetan war ich auch von den US-Amerikanerinnen, die zumindest kämpften und sich bemühten, den Gegner mit viel Druck auszuknocken. So geschehen im K.o.-Spiel gegen Brasilien. Deren Martha, die mich an frühere DDR-Leichtathletinnen erinnerte, trickste und meckerte über den Platz und zog sich zurecht das Pfeifkonzert der Fans in Dresden und anderswo zu. Überhaupt zeigte sich ein arrogantes, ja unsympathisches Brasilien: Die Weltmeistertitel der Herren (!) aufgestickt auf dem Trikot und mit schauspielerischen Leistungen ausgestattet, die alle fußballerischen Momente der Südamerikanerinnen zunichte machten. Wie sagte doch eine Moderatorin beim Trommeleinmarsch von Christiane, Martha und so weiter im Stadiontunnel? „Lautes Bingo Bongo macht noch keinen Erfolg“. Selbstüberschätzung als Anfang vom Ende.
Allein die Französinnen bemühten sich, technischen Mannschaftsfußball zu zeigen, doch leider sehr inkonsequent. Trotzdem bleiben sie mir positiv in Erinnerung, weil sie Potential besitzen. Wir Deutschen müssen umdenken und umschulen und vielleicht mal den Jogi fragen. Oder die Spanier. Da hilft es auch nicht, „nur“ gegen die späteren Weltmeisterinnen ausgeschieden zu sein.
Aprospos Weltmeisterinnen: Japan hat diesen Titel völlig verdient gewonnen. Sie haben wohl die Spanier gefragt, haben wohl bei Barca abgeschaut, haben sich viel Mühe gemacht, um sich weiterzuentwickeln. Wie eine Kopie des iberischen Systems spulten sie kräfteschonend und attraktiv ihre wichtigen Spiele herunter. Kein blindes Anrennen, keine 100 Chancen für ein mageres Tor, keine brutalen Fouls, keine Meckereien. Ihre Passgenauigkeit war beeindruckend, die Fehlpassquote dementsprechend gering. Nadelstiche setzen, den Gegner kontrollieren, dessen Schwächen ausmachen und geschickt in die Gasse spielen. Toll! Sie alle waren den vermeintlichen Favoritenteams körperlich klar unterlegen und die Prämie für den WM-Titel war etwa so hoch, wie die deutschen Damen das Ausscheiden im Viertelfinale vergoldet bekamen. Dies nur als Randnotiz.
Die Zuschauer kamen und ließen selbst die schlechtesten Spiele nicht aus. Leider war das Finale nicht in Berlin, sondern in der Frankfurter Fußball-Halle. Das tat der Stimmung und dem hohen Niveau des Matches keinen Abbruch.