Geschichte wird mit zunehmender Zeit vor allem medial verklärt, in „große“ und „politische“ Ereignisse kategorisiert. Die eigene, private Geschichte findet dagegen nur schlecht den Weg in History-Dokus oder öffentliche Gedenkfeiern. Wie auch, denn Geschichte unterscheidet sich in der Wahrnehmung millionenfach. Jeder Mensch hat auch hier seine eigene Wahrheit. Und die passt nicht immer ins offizielle Raster.
Mehr als zwei Jahrzehnte gibt es die DDR nicht mehr. Ausstellungen und Publikationen bemühen sich seit dem Beitritt des einstmals souveränen Staates zur alten BRD um ein möglichst einfaches Bild und werben um die Wahrnehmung des Betrachters. Stasi und Mauer, Trabi und Sandmann, Honecker und Jungpioniere. Paradox: Das schon in der DDR praktizierte gesellschaftliche „Parallel-Leben“, bestehend etwa aus offiziellen, politischen Anlässen und Erfolgspropaganda einerseits sowie der Rückzug ins niedliche Private andererseits – das alles wird erneut durchlebt. Diesmal vor allem durch Politik und Medien, wobei unsere Meinung durch sogenannte „Zeitzeugen“ und Stiftungen vertreten wird, oder besser: vertreten werden soll.
Alles grau in der DDR? Oder Lieber Fachwerk? (Bild: Rathaus in Stolberg)
Die eigene Wahrnehmung, wie die DDR erlebt und selbst erfahren wurde, mischt sich mit dem medialen Verklärungsschwamm, der über uns ausgedrückt wird. Aus heutiger und ferner Sicht auf den untergegangenen Staat gab es am Ende gefühlte zwanzig schwerkriminelle Spitzenfunktionäre, etwa dreihundert unbelehrbare Genossen der SED sowie zehn Millionen Widerstandskämpfer. Alles maximal, versteht sich. Wir alle waren im Geiste eigentlich irgendwie schon immer dagegen und ein alter Kumpel von mir bekräftigte dies in seiner Kneipentischrede mit den symbolischen Worten: „Die haben uns vierzig Jahre belogen und betrogen!“. Zum Zeitpunkt seines großen Auftrittes Ende 1989 war der Kumpel gerade mal Anfang zwanzig. Also ein weiser Mann.
DDR-Doku „Nicht alles war schlecht“
Das Bild vom Unrechts- und Unterdrückungsstaat, der menschenfeindlichen Diktatur, in der die Bevölkerung fremdgesteuert manipuliert und jegliche Antimeinung verfolgt wurde, es wird vor allem bei offiziellen Anlässen gepflegt und gehegt. „Volksaufstand 1953“ oder „Mauerbau“ zum Beispiel passen jährlich und damit immer. Das Gedenken als Show der politisch Mächtigen. Ausgerechnet Bundespräsident Gauck sowie Kanzlerin Merkel, die durch das „System DDR“ nicht gerade benachteiligt waren, erinnern an die Mauertoten, die vielen Mutigen, welche gegen den dikatorischen Strom schwammen und „das Volk“, was sich schlußendlich 1989 erhob. „Vergesst nicht!“ – soll in den Köpfen auch jener geparkt werden, die in der DDR einfach nur gelebt, geliebt und gearbeitet haben.
Der Autor im Urlaub (1987)
Das die DDR-Nomenklatura 1989 fertig hatte und in frühen Jahren nicht bereit war, notwendige Reformen anzugehen, ist unumstritten. Das viele Menschen ihre Unzufriedenheit auf kaputte Straßen zerfallener Städte trugen, wissen wir ebenfalls. Schon unklarer scheint der plötzliche Wandel mancher Losung, etwa von „Wir sind DAS Volk“ zu „Wir sind EIN Volk“ und der damit verbundene schnelle Weg ins vermeintliche D-Mark Glück. Alles Volkeswille? Ohne entsprechendes Marketing und politische Intriganz aus dem Westen dürfte hier nichts gegangen sein. Das auch ostdeutsche Kleinkarrieristen Witterung des vermeintlich großen Geldes aufnahmen, versteht sich in einer Gesellschaft von selbst.
Eventuell gehöre ich ja einfach nur zu jenen 0,7 Prozent, die in der DDR wenig „auszustehen“ hatten, die Kindheit, Jugend und Teile des frühen Erwachsenendaseins irgendwie auf die Reihe bekamen, ohne gleich an Verhaftung denken zu müssen. Die zum Sport statt auf die Straße gingen und – trotz aller (sichtbaren) Widrigkeiten – gerne in jenem Land lebten. Die unzähligen Sammlungsstücke aus DDR-Zeiten plus persönliche Erinnerungen wiederum generieren heute meine ganz eigene Wahrnehmung – natürlich nur eine von Millionen.
Quellen: YouTube, Privat.